Beethoven, Ode an die Freude

Ludwig van Beethoven
* 17. Dezember 1770 in Bonn
† 26. März 1827 in Wien

 

Freude ist niemals intensiver in Töne gesetzt worden als von Ludwig van Beethoven in der »Ode an die Freude« aus seiner Neunten Sinfonie. Die Freudenmelodie ist so bekannt, dass sie weltweit mitgesungen werden kann. Die Musik lässt niemanden unberührt, fast die ganze Welt spielt und singt sie zu feierlichen Anlässen wie Silvester, aber auch zu Staatsakten. Der taube, vereinsamte, alternde Beethoven schuf eine Musik, die zu allen Zeiten in der Popularität ganz, ganz oben stand und steht, obwohl er es weder den Hörern noch den Mitwirkenden leicht gemacht hat. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er universelle Bedürfnisse anspricht! Zu unseren Bedürfnissen gehört ganz sicher so etwas Schönes wie Musik. Dazu gehört aber auch der Wunsch, mitgerissenen zu werden, der Wunsch nach Bestätigung. Wer die »Ode an die Freude« gehört hat, geht mit dem Gefühl nach Hause, auf der richtigen Seite zu stehen. Das macht es für Mächtige attraktiv, die Musik für ihre Zwecke einzuspannen.

Und so mischen sich unter den Freudenjubel auch immer wieder schrille politische Töne. Während der deutschen Teilung haben sich beide deutsche Staaten ihr Beethovenbild um die Ohren gehauen, am liebsten mithilfe der Neunten. Wir wissen nicht, ob wir Beethoven immer richtig verstehen. Aber der Satz »Alle Menschen werden Brüder« und die Musik dazu berühren uns zutiefst. Dieser Satz hat die Wendezeit musikalisch begleitet und vielen Menschen seinerzeit aus dem Herzen gesprochen. 25 Jahre nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung greifen wir bewusst auf diese Musik zurück. Der Freudentaumel des Mauerfalls ist verklungen, aber die Utopie bleibt. Die Mauer zwischen Ost und West steht nicht mehr, aber heute werden neue Mauern hochgezogen. Gemeinsam mit denen, die hier bei uns eine neue Heimat suchen, wollen wir Beethovens Sehnsucht nach einer besseren Welt wachhalten und gestalten mit musikalischen Mitteln einen Abend der Freude und der Zuversicht.

Ode an die Freude

Friedrich Schiller

(1759–1805)

O Freunde, nicht diese Töne!
Sondern laßt uns angenehmere
anstimmen und freudenvollere.

Freude! Freude!

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum!
Deine Zauber binden wieder
Was die Mode streng geteilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur;
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.

Froh, wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächt’gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum Siegen.

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such’ ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen.

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
Seid umschlungen,
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Freude, schöner Götterfunken
Tochter aus Elysium,
Freude, schöner Götterfunken,
Götterfunken.

Friedrich Schiller